Viele neue Gesichter und Formate und sogar ein neues Logo stellte der neue Intendant André Bücker bei der Spielzeitpressekonferenz 2017/18 vor
Wie so oft fällt einer der wichtigsten Sätze, als die Veranstaltung schon fast beendet ist: "Ein Theaterabend ist ein lebendiger Organismus, zu dem auch das Publikum gehört", so der neue Intendant des Theaters Augsburg. André Bücker, Jahrgang 1969, hat am Mittwoch in der Brechtbühne das Programm seiner erster Augsburger Spielzeit vorgestellt und präsentierte dabei nicht nur viele neue Gesichter, sondern auch ein neues Erscheinungsbild.
Dass das neue Logo des Theaters Augsburg an einen Sehtest erinnert, war zwar nicht beabsichtigt, doch die Assoziation ist dem Intendanten nicht unrecht: "Theater ist auch eine Art Sehtest", so Bücker. Die Zuschauer und Mitarbeiter müssen sich nun erst mal an viele neue Chefs gewöhnen: Außer Generalmusikdirektor Domonkos Heja, der seit 2015 in Augsburg arbeitet, werden nahezu alle Leitungspositionen frisch besetzt: von der Öffentlichkeitsarbeit über das Musiktheater und das Ballett bis zum Schauspiel. Dazu erfahren die einzelnen Ensembles große personelle Veränderungen.
Und natürlich gibt es auch zahlreiche neue Formate, so soll ein theatraler "Tatort Augsburg" dreimal im Jahr durch die Stadt ziehen. Der Augsburger Schriftsteller Franz Dobler bekommt endlich seinen Platz im Theater und wird monatlich einen Abend im Hoffmann-Keller präsentieren. An seiner Seite: der Münchner Vielschreiber und hochdekorierte (Krimi-)Autor Friedrich Ani.
Der Fortgang auf der Baustelle wird im Stil einer "Mockumentary" dokumentiert, das Format "Plan A" soll die Spielzeitthemen in "performativen und politischen Auseinandersetzungen" bearbeiten. Und sogar zwei Kirchen werden einbezogen: Fünf "Theaterpredigten" in der Anna- und der Moritzkirche werden am Sonntag nach der Premiere das Gesehene thematisieren. Den Auftakt macht der einstige Linken-Chef Gregor Gysi.
Zahlreiche Erst- und Uraufführungen
Womit wir auch beim Spielplan wären. Auch hier viel Neues, allen voran natürlich die Spielstätte im Martini-Park ("Er wird fertig!", so Bücker). Mit mehreren Erst- und Uraufführungen schlägt der Intendant einen offensiv aktuellen Kurs ein, wobei Klassiker wie Ibsens "Peer Gynt", Büchners "Lenz" und sogar Shakespeare ("Viel Lärm um nichts") nicht ausgeschlossen sind, ebenso wenig wie die Oper "Freischütz", das Ballett "Schwanensee" oder das Weihnachtsstück "Momo".
Für etwas mehr Aufhorchen sorgen freilich Produktionen wie "Prima Donna", eine Oper des US-Singer-Songwriters Rufus Wainwright, "Solaris" nach dem Roman von Stanislaw Lem oder die Fußballoperette "Roxy und ihr Wunderteam" aus den 30ern. Hier wirkt sogar der ehemalige Profi und dreimalige Deutsche Meister Jimmy Hartwig mit, der Ende der 80er auch mal ein Jahr lang den FCA trainierte. Die verstärkte Ausrichtung in Richtung Stadt und Stadtgeschichte zeigt auch die Freilichtbühnenproduktion 2018: "Herz aus Gold", das "Fuggermusical". Der Pianist und Komponist Stephan Kanyar, der auch schon Casanova und Einstein vertonte, nimmt sich die Geschichte des damals reichsten Mannes der Welt vor: Jakob Fugger.
Die Flüchtlingsthematik wird anhand des Stücks "Das Kind träumt" des israelischen Autors Hanoch Levin aufgegriffen, ebenfalls eine deutsche Erstaufführung. Dasselbe gilt für "Das Spiel der Schahrazad" von Turgay Nar. Zum anstehenden Jubiläum der 68er gibt’s die Uraufführung "1968: Geschichte kann man schon machen, aber so wie jetzt ist's halt auch scheiße", für die der erst 29-jährige Regisseur Peer Ripberger verantwortlich zeichnet. Zum Brechtfestival inszeniert das Theater Augsburg den unvollendeten Text "Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer".
Der neue Ballettchef, der Brasilianer Riccardo Fernando, widmet sich u.a. dem Club der 27er, also den Popstars, die mit 27 Jahren gestorben sind, wie Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison, aber auch Kurt Cobain oder Amy Winehouse. Die Sinfoniekonzerte bieten nicht nur große Klassikkomponisten wie Beethoven, Bartok und Tschaikowsky, sondern auch Leonard Bernstein und Duke Ellington.
Theaterfest meets Bundestagswahl
Einen ersten Eindruck der kommenden Produktionen bekommen Theaterfans beim Spielzeit- und Spielstätteneröffnungsfest am 24. September im Martinipark, das nicht ohne Hintergedanken auf den Tag der Bundestagswahl fällt. Ab 18.00 Uhr werden auch hier die Hochrechnungen präsentiert, gefolgt von einer Wahlparty. Ein weiteres Sinnbild für die offensichtlichen Bemühungen des neuen Leiters und seines Teams, die Brücken in die Stadtgesellschaft noch mehr auszubauen.
Zumindest dem Papier nach ist André Bücker mit dem Programm der Spielzeit 2017/18 ein großer Wurf gelungen. Um den Einstiegs- bzw. Schlusssatz noch einmal aufzugreifen: "Die Stadt ist ein lebendiger Organismus, zu dem auch das Theater gehört."
(flo)
Alle Infos zur neuen Spielzeit findet ihr hier.
Im Bild oben: André Bücker (Foto: Marcus Ertle)
Im Bild unten v.l.: Lutz Keßler (Künstlerische Leitung Schauspiel), Ricardo Fernando (Ballettdirektor), David Ortmann, Sabeth Braun, Nicole Schneiderbauer (alle drei Künstlerische Leitung Schauspiel), Sophie Walz (Leitung Musiktheater), André Bücker (Intendant), Heike Neumann (Kommunikation), Daniel Herzog (Operndirektor), Friedrich Meyer (Kaufmännischer Direktor), Domonkos Héja (Generalmusikdirektor) (Foto: Jan-Pieter Fuhr)