
Ausgerechnet Geige. Das Instrument war mir schon als Kind verhasst, obwohl mein absoluter Held Sherlock Holmes darauf spielte. Und nun hat Augsburg auch noch einen "Wundergeiger"!
Der 21jährige Violinist Sandro Roy war 2007 bereits Bundespreisträger bei "Jugend musiziert", absolvierte Meisterkurse als Fünfzehnjähriger und erhielt 2011 den Sonder-Kunstförderpreis seiner Heimatstadt Augsburg. Am Montag gastierte er im Foyer der Puppenkiste mit seinem Quartett, in dem mit Paulo Morello und Sascha Köhler-Reinhardt auch zwei renommierte Gitarristen am Werk sind. In der Pause erzählt mir Kontrabassist Rene Haderer, er habe Sandro zum ersten Mal gesehen, als der beim Django Reinhardt Memorial "alle in Grund und Boden gespielt hat". Damals fand das Festival noch im Abraxas statt – und Sandro war elf Jahre alt.
Rund zehn Jahre später ist der Kunstförderpreisträger ein hochgehandelter Musiker, am Wochenende fliegt Sandro zu einem Festival in Boston, auf dem er auch Workshops gibt. Im Mai hat er mit einem Kammerorchester auf dem Mozartfest in Augsburg und auf dem Münchner Gypsy Jazz Festival gespielt.
Das Set der vier Musiker umfasst nahezu die komplette Debüt-CD des jungen Violinisten, "Where I come from", die gar nicht weit weg von der Puppenkiste in Wolfgang Lackerschmids Traumraum-Studio eingespielt wurde. Das Repertoire reicht von Jobim-Bossa und Jazz à la bzw. direkt von Django Reinhardt über Stücke von Miles Davis oder dem Filmmusikstar Henry Mancini bis zu Eigenkompositionen. Und spätestens bei der Ballade "A Child Is Born" von Thad Jones geht auch dem weniger Hot-Club-affinen Zuhörer das Herz auf.
Es ist der Ton, Sandros Ton auf der Geige, der keinerlei Umwege über den Verstand zu nehmen scheint. Wie Rene mir ebenfalls erzählt, ist die Basis bei Sandro eher nicht die geschriebene Note, sondern vielmehr das Gehörte, das Gefühl, die Improvisation - obwohl der auch als "Klassiker" aktive Musiker natürlich vom Blatt spielen kann.
Er kann aber auch eine topbesetzte Band mit leichter Hand anleiten, bei Basssolos schrummt er spaßeshalber die Akkorde auf seinem Instrument mit, schließlich ist ihm auch die Gitarre nicht fremd. Und wenn er nach den Improvisationen der Kollegen wieder einsteigt - präzise, leichtfüßig, schwungvoll -, merkt man erst, wie sehr man diesen Ton vermisst hat. Dass er innerhalb eines zehnsekündigen Outros mehrere Geigenstile von Country-Fiddle bis Schmuseklassik buchstäblich auf den Arm nimmt, ist nicht viel mehr als eine Fingerübung, zeigt aber auch, dass Sandro Roy Humor hat, Spielfreude sowieso.
Genug geschwärmt, wenn ihr dem Augsburger Ausnahmemusiker mal über den Weg lauft, schaut ihn euch an, auch wenn Geige nicht zu euren Favoriten gehört. Siehe oben. Oder: Elementary, Watson! (flo)
Das Bild zeigt Sandro beim Jazzfestival in St. Ingbert (Foto: Walter Gehring)